Gesundheitskarte – Slowenien macht’s richtig!

Das Projekt elektronische Gesundheitskarte ist ein schönes Beispiel wie eine an sich gute Idee durch unendliches Taktieren von Politikern, Lobbyisten und und kritikloses Agieren von technischen und organisatorischen Spezialisten ins Absurde gemanaged wird. Dabei traut sich keiner der Beteiligten zuzugeben, dass das Projekt eigentlich sofort gestoppt werden müsste. Die ursprüngliche Versicherungskarte wie wir sie heute in der Tasche tragen ist eine Erfolgsstory. Durch die eindeutige Identifikation des Patienten konnten überhaupt erst vernünftige übergreifende Prozesse bei Krankenkassen, Ärzten und Kliniken implementiert werden. Die Karte begleitet die  Versicherten von der Geburt bis zur Bahre. Die Karte ist heute billiger als eine Bankkarte und eigentlich recht unsicher  – gefälschte Karten kosten heute auf dem Schwarzmarkt ca 50 €. Das ist aber eigentlich wenig interessant, da sich der Arzt sich bei unbekannten Patienten ja noch den Ausweis zeigen lassen und die Versicherung online verifizieren kann.

Vor etwa 15 Jahren kam dann die Idee auf, medizinische Daten wie z.B. Notfallinformation, Adressen von behandelnden Ärzten, sowie Falldaten z.B. für Diabetes Patienten auf der Karte zu speichern. Das war damals durchaus sinnvoll, da es praktisch weder eine Netzwerkinfrastruktur noch einheitliche PC Betriebssysteme und Praxis-Software für die Ärzte gab. Bei DIABCARD wurde ein relativ einfaches Sicherheitssystem entwickelt, das im Praxistest in mehreren europäischen Ländern erfolgreich getestet wurde. Dabei wurden auch Standards für den Zugriff zu den Karten für Windows und Java entwickelt, die heute selbst auf VISTA PCs noch funktionieren. (Auch im Jahr 2018 funktioniert das Zugriffssystem PC/SC auf Windows 10 und anderen Systemen!)

Anstatt die einfache Lösung aufzugreifen und schnell zu implementieren wurde in Deutschland das Projekt Gesundheitskarte gestartet bei dem  zunächst eine komplizierte Sicherheitsarchitektur entworfen wurde, die weder dem Patienten noch Ärzten nutzt und die in der Praxis nicht funktioniert. Da auf der Karte nur eine geringe Datenmenge gespeichert werden kann und die Daten auch nur extrem langsam ausgelesen werden können, kann man eigentlich Standard Dokumente wie Laborberichte, Arztbriefe usw nicht auf der Karte speichern und damit ist diese für die vorgesehene Kommunikation zwischen den Beteiligten des Gesundheitssystems nicht geeignet. Der Patient hat keine Möglichkeit seine Gesundheitsdaten am heimischen PC einzusehen und kann damit Fehler im System nicht korrigieren.

Die Gesundheitskarte sollte eigentlich schon 2008 flächendeckend eingeführt sein – jedoch zogen sich die Feldversuche u.a. in Heilbronn seit 2007 endlos hin mit unsäglichen technischen und organisatorischen Schwierigkeiten. Aus gutem Grund werden die Ergebnisse der wissenschaftliechen Begleitung durch die Hochschule Heilbronn auch unter Verschluss gehalten. Im Moment ist das primäre Projektziel offensichtlich das Desaster nicht vor der Wahl ans Licht kommen zu lassen. Typisch ist auch, dass der neue Personalausweis ein drahtloses RFID Interface und keine Kontakte haben wird wie die Gesundheitskarte. Das macht dann wohl das Chaos noch perfekter. In beiden Fällen macht man sich durch die Verwendung eines proprietären Kartenbetriebssystems das zufällig aus Bayern kommt beim Preis erpressbar!

Slowenien zeigt dagegen wie man es richtig macht. Basierend auf der Erfahrung mit einem konventionellen Healthcard System das in Slowenien 1998 flächendeckend eingeführt wurde, hat man bereits im Jahr 2000 eine Strategie für ein modernes Gesundheitsnetzwerk basierend auf Industriestandards entwickelt. Die neue Gesundheitskarte basierend auf SOA und dem offenen Standard JavaCard dient dabei sowohl für Patienten als auch für Ärzte als Ausweis für den Zugriff auf die Gesundheitsdaten. Die Daten werden dabei nicht zentral sondern auf sicheren Servern der existierenden Infrastruktur bei Versicherungen, Ärzten und Krankenhäusern gehalten.  Die Ärzte können dabei auch über Smartphone auf die Daten der Patienten zugreifen. Durch Verwendung von Hardware- und Softwarestandards können die Kosten des Systems speziell für die Wartung und den Betrieb erheblich reduziert und die Stabilität des Systems über längere Zeit gesichert werden. Interessant ist auch, dass Slowenien nach langem Ärger mit unterschiedlichen Anbietern von Software und Services  jetzt mit dem Generalunternehmer IBM arbeiten will.

Es ist unverständlich, dass das deutsche Gesundheitsministerium nicht auf die langjährigen Erfahrungen mit der Technik und Organisation Gesundheitskarten-Systemen von Slowenien berücksichtigt und den Schritt zu einer wirklich modernen IT Infrastruktur macht. Vielleicht kann hier die Finanzkrise dazu beitragen unnötige Ausgaben in ein ineffizientes und viel zu teures System zu verhindern.

Siehe auch:

Pinologie der Gesundheitskarte

Die Gesundheitskarte ist krank

Google Service für Patientendaten

Gesundheitskarten Infrastruktur geht an T-Systems

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